STATT EINES VORWORTES…
...eine Bilanz
Achteinhalb Spielzeiten werden es insgesamt gewesen sein, die ich an der Bühne Baden verantworten durfte. In diese meine Ägide fielen unter anderem die Ausrichtung aller Veranstaltungen und Feierlichkeiten zum 110-jährigen Bestehen des Stadttheaters Baden, aber vor allem die Auswahl aller Stücke, der gesamten Konzerte und der Veranstaltungen im Max-Reinhardt-Foyer und natürlich die Engagements aller Mitwirkenden und aller Leading Teams sowie die Designierung des neuen Chefdirigenten Michael Zehetner und der neuen Ballettdirektorin Anna Vita. Zeit also, Bilanz zu ziehen, bevor ich meine Laufbahn als Kulturmanager am 13. September 2025 offiziell beenden werde: "Und jedem Ende wohnt ein Anfang inne."
Neuerung Ganzjahresspielplan
Ich bin stolz darauf, dass es ab meiner Wirkungszeit gelungen ist, erstmals alljährlich einen Gesamtjahresspielplan herauszubringen, wie das an allen anderen Landesbühnen Österreichs und im gesamten deutschsprachigen Raum ja bereits Usus war. Die Umstellung war auch dem Umstand geschuldet, dass wir es mit einer immer volatiler werdenden Gemeinde von kunstaffinen Theaterbesucher:innen zu tun haben, wir also trachten, neben den konservativen und traditionsverpflichteten Bevölkerungsgruppen auch Etablierte mit Exklusivitätsansprüchen, Postmaterielle und moderne Performer anzusprechen, um den demographischen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Der aus einer umfassenden Publikumsbefragung im Herbst 2022 hervorgegangene hohe Zufriedenheitsgrad und vor allem die Tatsache, dass die neu hinzugekommenen Besucher:innen unter ihnen hervorhoben, nun öfter nach Baden reisen zu wollen, um hier Aufführungen zu sehen, war und ist uns hohe Motivation und Ansporn für unser Tun.
Entdeckungen & Bewährtes
Neben der Pflege des gesamten Standard-Repertoires kam eine ganze Latte an weiteren wunderbaren musiktheatralischen Werken hinzu, die in meiner Zeit zum ersten Male in Baden erklungen sind: DIE KAISERIN (im Rahmen einer von mir eingeleiteten Leo-Fall-Renaissance, zu der sich dann noch die ebenfalls als Badener Erstaufführung gezeigte DIE GESCHIEDENE FRAU und DIE ROSE VON STAMBUL hinzugesellten), Franz von Suppès FATINITZA zum 200. Geburtstag des Begründers der Wiener Operette, Franz Lehárs DIE BLAUE MAZUR zum 100. Geburtstag dieser Operette (mitten in der Corona-Zeit!) oder Emmerich Kálmáns opernhafte KAISERIN JOSÉPHINE mit dem Sänger-Traumpaar Vincent Schirrmacher und Ivana Zdravkova sowie zwei Werke von Oscar Straus, seine FRAU, DIE WEISS, WAS SIE WILL und DREI WALZER (in einer berührend-poetischen Inszenierung von Ruth Brauer-Kvam), beide als sogenannte „9. Produktion“. Gerade diese Hebungen von Operettenschätzen haben uns in Fachkreisen und im Feuilleton viel Ruhm und Anerkennung eingebracht. Im Bereich des Musicals gab es in meiner Intendanz-Zeit folgende Badener Erstaufführungen: GRAND HOTEL, NEUN (als österreichische Erstaufführung mit dem hinreißenden Drew Sarich in seiner Wunschrolle als Guido Contini) und TITANIC (alle drei aus der Feder des genialen Maury Yeston), SOUTH PACIFIC (als österreichische Erstaufführung einer vollszenischen Produktion), KUSS DER SPINNENFRAU und – auch hier hatten wir das Erstaufführungsrecht für Österreich ergattert – BONNIE AND CLYDE, das Baden-Debüt von Mark Seibert an der Seite der lasziv-coolen Dorina Garuci, sowie SUNSET BOULEVARD, das einen weiteren Meilenstein in der illustren Karriere Maya Hakvoorts markierte, und MONTY PYTHON‘S SPAMALOT in Starbesetzung. Alle die genannten Werke waren davor nie in Baden zu erleben gewesen.
Fixpunkt Oper
Schlussendlich war es immer mein Credo, zur Förderung und Forderung namentlich des großartigen Orchesters der Bühne Baden, einmal im Jahr der Gattung Oper Reverenz zu erweisen. Neben den Spielopern DER FREISCHÜTZ, FIDELIO und DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL waren es in den letzten Jahren die großen Opernwerke, denen wir uns gestellt haben: LA TRAVIATA, CARMEN, DIE BOHÈME und TOSCA; immer in deutscher Sprache (mit Ausnahme der letztgenannten), wie es sich für ein Stadttheater geziemt und sinnvoll ist: Jede:r Zuschauer:in soll in jedem Moment begreifen und verstehen können, was auf der Bühne passiert.
Herzensprojekte
Wenn ich selbst auch für andere meiner eigenen Bearbeitungen und Inszenierungen mit noch mehr Lob bedacht wurde – etwa bei HALLO, DOLLY! (mit dem Powerpaar Patricia Nessy und Andreas Steppan), CARMEN (mit der verführerischen Natalia Ushakova in einem Sidestep zu ihrem Fach), FRÜHJAHRSPARADE und MY FAIR LADY (mit dem bahnbrechenden Rollendebüt Oliver Baiers als Prof. Higgins) –, haben sich doch SHOW BOAT (mit dem kraftvoll berührenden Zelotes E. Toliver als Joe), FIDELIO sowie DIE FLEDERMAUS (in meiner eigens für Baden adaptierten Fassung mit Verena Scheitz als gefinkelter russischer Oligarchin Orlofskaya, die sich als Frosch verkleidet) und DIE BLAUE MAZUR (von mir im jüdisch-aristokratischen Milieu Wiens zu Beginn des 20. Jahrhunderts angesiedelt) einen besonderen Platz in meinem Herzen bewahrt.
Künstlerische Vielfalt
Viele Regisseur:innen haben in meiner Funktionsperiode zum ersten Mal in Baden gearbeitet: Ulrike Beimpold, Ruth Brauer Kvam, Ramesh Nair, Michael Schilhan, Thomas Smolej, Werner Sobotka, Peter Lund, Leonard Prinsloo und last but not least Andreas Gergen, der im Sommer 2022 mit SUNSET BOULEVARD Furore gemacht hat und nun in meiner allerletzten Spielzeit die Badener Erstaufführung von CHESS inszenieren wird, bevor ich ihm mit meiner vollen Unterstützung und Begeisterung die Stafette der künstlerischen Leitung überreichen werde.
Einige der vielen prominenten Darsteller:innen, die ich zum ersten Mal auf die Bretter der Bühne Baden geholt habe, habe ich schon erwähnt. Neben dem schon genannten Oliver Baier (der bei uns schon fast zum Ensemble gehört) und Musicalstar Mark Seibert waren und sind in nicht wertender Reihenfolge Stars und Publikumslieblinge wie Francisco Araiza, Verena Barth-Jurca, Martin Berger, Maya Boog, Shlomit Butbul, Iurie Ciobanu, Carin Filipcic, Caroline Frank, Roman Frankl, Tania Golden, Dominik Hees, Cornelia Horak, Milica Jovanovic, Tini Kainrath, Uwe Kröger, Andy Lee Lang, Marika Lichter, Chris Lohner, Sona MacDonald, Nadja Maleh, Eva Maria Marold, Georgij Makazaria, Ann Mandrella, Robert David Marx, Missy May, Angelika Niedetzky, Miriam Portmann, Uli Scherbel, Vincent Schirrmacher, Gabriele Schuchter, Herbert Steinböck, Günter Tolar, Clemens Unterreiner, Christoph Wagner-Trenkwitz, Wietske van Tongeren, Thomas Weissengruber und Thomas Zisterer (um nur einige herauszugreifen) zum ersten Mal in Baden zu sehen. Als sogenanntes „Trüffelschwein“ war mir aber auch immer die Förderung junger Talente ein Anliegen: Ricardo Frenzel Baudisch, Gezim Berisha, Florian Carove, Jill Clesse, Loes Cools, Leon De Graaf, Ulrike Figgener, Marianne Lisa Herzig, Jakob Hofmann, Beate Korntner, Nicole Lubinger, Valerie Luksch, Benjamin Plautz, Domenica Radlmaier, Eric Reddet, Regina Riel, Ilia Staple, Matthias Trattner, Patrizia Unger, Jay Yang und Ivana Zdravkova seien hier stellvertretend herausgegriffen. Jeder der Saisonen ein Motto voranzustellen, das dann bestimmend für meine Stückauswahl war, war mein besonderes „Steckenpferd“ – im Bemühen, gesellschaftspolitisch relevantes Theater zu bieten. All dies geschah freilich immer mit dem Ziel vor Augen, einerseits den unsterblichen Werken der Komponisten und Librettisten mit allergrößtem Respekt zu begegnen und andererseits an der Bühne Baden perfektes und packendes musikalisches Unterhaltungstheater zu gewährleisten.
Strahlkraft Bühne Baden
Dass es zur Regelmäßigkeit wurde, dass die Produktionen in der Sommerarena alljährlich von ORF III aufgezeichnet und in den letzten Jahren sogar live übertragen wurden, ist ein Aspekt, der mich mit besonderer Freude erfüllt: Denn er half mit, unsere Arbeit in ganz Österreich bekannt zu machen. Als primus inter pares, als der ich mich Zeit meines beruflichen Daseins als Intendant immer empfunden habe, ist es mir ein enormes Bedürfnis, jedem einzelnen Mitarbeiter und jeder einzelnen Mitarbeiterin von der Reinigungskraft bis hin zu meiner wunderbaren Geschäftsführerin Martina Malzer aufrichtig zu danken: Nur durch deren enormen Teamgeist und ihre unermüdliche Arbeit war es möglich, Spitzenleistungen und Sternstunden des Theaters an der Bühne Baden zu ermöglichen.
In der Hoffnung, dass unser geschätztes Publikum auch in der neu anbrechenden Ära zahlreich zu uns strömen möge, sage ich beim Abschied leise
„Servus“!
Ihr ergebener Michael Lakner, Künstlerischer Leiter